Das Landgericht Wuppertal hat am 10.Oktober 2025 eine Entscheidung zur Selbstverteidigung getroffen. Meiner Meinung nach – allerdings fehlen mir dafür auch einige Fakten – mit einem üblen Beigeschmack. Aber von vorne.
Am Ostersonntag, 20. April 2025 gegen 01.45 Uhr, war ein damals 17jähriger in einem Parkhaus am Remscheider Hauptbahnhof, angegriffen worden. Grund war ein schon länger andauernder Familienstreit. Im Zuge der Auseinandersetzung wurde der 17jährige von 2 Personen mit einen Schlagring und einem Schlagstock angegriffen worden. Dabei erlitt er eine stark blutende Kopfwunde. Als man weiter auf ihn einschlagen wollte, zog der 17jährige ein Messer, stach in Richtung der Angreifer und verletzte einen Angreifer lebensgefährlich, der aber durch schnelle ärztliche Hilfe gerettet werden konnte.

Das Gericht ordnete den Messereinsatz als gerechtfertigte Notwehrhandlung ein. Er sei „massiv und fortdauernd“ angegriffen worden und durfte sein Leben verteidigen. Sich der Situation zu entziehen sei in dieser Situation nicht möglich gewesen. Letztendlich beantragte auch die Staatsanwaltschaft einen Freispruch.
Der Richter wies allerdings darauf hin, dass der Freispruch kein Freibrief für das mitführen einen Messers sei. Moralisch sei das Verhalten des 17jährigen verwerrflich. Nur weil es sich um einen Grenzfall handle, sei er nicht wegen versuchtem Totschlag verurteilt worden.
Aufgrund der wenigen Fakten komme ich nun zum Beigeschmack für mich:
- es gibt in Deutschland ein Waffengesetz. Danach darf ich gewisse Messer führen. Ganz egal warum. Auch einen Richter hat es nicht zu interessieren, WARUM ich ein LEGALES Messer bei mir trage. Und ich gehe jetzt erst einmal davon aus, dass es sich um ein legales Messer handelt, sonst wäre der Verteidiger im Bericht zerrissen worden. Das wäre vergleichbar damit, dass er bemängelt, dass ich eine Packung Kaugummi bei mir trage.
- Die Angreifer haben ihn mit einem Schagstock (legal oder nicht legal, geht aus dem Beitrag nicht hervor) und einem Schlagring. Wenn es sich um einen Schlagring im eigentlichen Sinne handelt, ist dies eine verbotene Waffe. Heisst, ich darf ihn nicht kaufen, nicht besitzen und schon gar nicht in der Öffentlichkeit führen. Das bedeutet, der Richter bemängelt die Verteidigung mit einem (vermutlich) legalen Messer gegen mindestens eine illegale Waffe.
- Er begründet den Freispruch mit einem Grenzfall. Heisst: ich wehre mich mit mir zur Verfügung stehenden Mitteln gegen einen massiven Angriff zum Kopf mit teils illegalen Waffen. Weil ich mich mehreren mehreren bewaffneten Angreifern gegenüber sehe, habe ich auch keine echte Chance, zu fliehen. Heisst, ich fürchte und kämpfe um mein Leben. Und das ist jetzt ggf. verwerflich?

Hier passiert, was ich bei der Bewertung von Selbstverteidigungshandlungen ständig bemängele. Ich habe eine extrem kurze Zeitspanne, um zu handeln und mein Leben zu schützen. Jemand anderes bewertet meine Handlung – ggf. über Tage – und spielt alle Szenarien durch, die alternativ möglich gewesen wären. Also Sekundenbruchteile gegen Stunden oder Tage. Geht es noch unrealistischer?
Ausserdem stellt ein Richter das Waffengesetz, ein Gesetz, dass durch den Gesetzgeber erlassen wurde, quasi infrage. Und zwar dadurch, dass er der Meinung ist, dass eine vermutlich legale Waffe laut seinem persönlichen Verständnis einfach nicht geführt werde solle.
Und zum Abschluss ist er der Meinung, dass man sein Leben im Rahmen eines lebensgefährlichen Angriffs nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen darf, sondern sich dafür noch zu rechtfertigen hat.
Unverständlich. Scheinbar müssen mehr Richter mal in eine Selbstverteidigungssituation kommen, um solche Geschehnisse REALISTISCH beurteilen zu können.